Beten ist nicht nichts
26. Aug 2014
Beten ist nicht nichts
Volker
Kauder, der Vorsitzende der CDU-Fraktion des deutschen Bundestages, hat gesagt,
man könne Terroristen nicht mit Menschenketten und mit Gebeten stoppen. Mit dieser
Spitze gegen die Friedensbewegung befürwortet er indirekt militärische
Interventionen gegen den IS im Nordirak. Auch Kardinal Marx – der sehr wohl zum
Gebet für die Opfer des Krieges und der Vertreibungen aufgerufen hat – hält
militärische Mittel für geboten, um einen brutalen Aggressor zu stoppen. Sogar
der Friedenspapst Franziskus hat kürzlich ein solches Eingreifen als unter
Umständen legitim bezeichnet.
Es ist zu fragen: Welche militärischen Mittel könnten das sein, die wirksam einen Völkermord verhindern und die zugleich verhältnismäßig sind und deren langfristige Folgen nicht das Übel verschlimmern, das sie bekämpfen wollen?
Bombardierungen
mit immensen so genannten Kollateralschäden oder extralegale Tötungen von
IS-Führern können das nicht sein. Immer neue gewaltbereite und radikalisierte
Islamisten würden nachfolgen.
Die Lieferung von Waffen an eine Kriegspartei kann es nach unserer Überzeugung ebenfalls
nicht sein, wo doch die Region schon vor Waffen strotzt und einmal gelieferte
Kriegsgeräte nicht einfach wieder aus der Welt zu schaffen sind, sondern
unkontrolliert weiter tödliche Verwendung finden.
Pax Christi anerkennt das Dilemma, in dem sich die Politiker zu diesem Zeitpunkt befinden: auf der einen Seite die Schutzverantwortung für bedrohte Menschen, auf der anderen Seite die Gefahr einer weiteren Eskalation des Konflikts durch die Aufrüstung einer Kriegspartei – mit dem Risiko „weiterer Zerwürfnisse und neuer Spannungen“, das auch Bischof Overbeck sieht. Bei jeder Entscheidung in einem Dilemma machen sich die Handelnden unausweichlich schuldig und müssen doch handeln.
Denkbar wäre
für uns die Einrichtung von Schutzzonen, die jedoch im Einklang mit der UN-Charta von UN-Soldaten gesichert
werden müssten und nicht von Staaten, die in der Region bereits Schaden
angerichtet haben.
Den Vereinten Nationen würde es auch zukommen, Verbrechen gegen die
Menschlichkeit, wie sie von den IS-Milizionären zweifellos begangen werden,
durch ihren Internationalen Strafgerichtshof zu ahnden.
Bei allem
Handlungsdruck, den die Entscheidungsträger derzeit erleben, dürfen die langfristigen
Perspektiven nicht aus dem Blick geraten: eine politische Lösung für den Irak,
d.h. eine gleichberechtigte Beteiligung aller Volksgruppen – Schiiten,
Sunniten, Kurden – an der Regierung und Gestaltung des Landes. Das schließt
auch eine Beteiligung des Iran an der Lösungsfindung ein sowie ein Ende der
Unterstützung von Regimen, die den IS erst stark gemacht haben.
Auch an der langfristigen Perspektive einer reformierten UNO muss festgehalten
werden, damit sie in Zukunft allein „weltpolizeiliche“ Aufgaben wahrnehmen darf
und kann.
Angesichts der täglichen Bilder und Nachrichten aus den Kriegsgebieten fühlen wir uns hilflos, haben keine eindeutigen und zweifelsfreien Antworten. Was können wir überhaupt tun?
Pax Christi hält derzeit eine massive Ausweitung der humanitären Hilfe und die konkrete Solidarität mit den Flüchtlingen in Deutschland für das Gebot der Stunde. Auch wenn wir Gebete nicht als „spirituelle Waffe“ bezeichnen würden wie Kardinal Marx, so rufen wir doch zu Friedensgebeten und Schweigekreisen auf. Denn Beten ist nicht nichts! Wenn wir uns ohnmächtig fühlen, bleiben manchmal nur die Klage und die Suche nach Trost und Stärkung im Gebet. Dazu stellt der Diözesanverband Münster allen interessierten Gruppen und Gemeinden seine Friedenswanderkerze und Gebetshilfen zur Verfügung.
Kontakt: Ernst Dertmann, Friedensarbeiter, 0251-511420 oder pax-christi.ms@t-online.de
Münster, 26.8.2014
Diözesanvorstand von Pax Christi Münster